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Warum kritisiere ich meinen Partner ständig?

Heute erzählte mir ein Klient (ich nenne ihn "Bernd"), dass ihm selbst auffällt, dass er ständig seinen Partner ("Tom") kritisiert. Er fragt sich, warum er das tut, obwohl er ihn liebt und schätzt. „Warum kann ich ihn nicht einfach so sein lassen, wie er ist?“, fragt er sich.



Es ist ganz natürlich, dass wir dazu neigen, unseren Partner manchmal kritischer zu betrachten als andere. In einer Beziehung sind die Erwartungen und die emotionalen Investitionen höher, was uns sensibler für das Verhalten unseres Partners macht. Diese kritische Wahrnehmung ist nicht unbedingt negativ. Sie ist oft ein versteckter Ruf nach Nähe oder das Bedürfnis, sich sicher zu fühlen. Verstehen wir das, können wir lernen, unsere Wünsche und Ängste anders zu kommunizieren.


Bernds ständige Kritik könnte ein Ausdruck seiner eigenen Unsicherheiten und Ängste sein. Vielleicht fürchtet er, nicht genug Kontrolle über seine Umgebung zu haben oder er hat Angst, dass die Beziehung nicht seinen Erwartungen entspricht. Solche Verhaltensweisen sind oft unbewusste Versuche, Sicherheit zu schaffen.


Im Grunde versucht Bernd die Beziehung zu verbessern durch wertschätzende Kritik. Sein Partner "Tom" versucht das, indem er möglichst viel Ruhe in die Beziehung bringt. Der Nachteil ist, dass beide mit ihren Schutzstrategie sich gegenseitig in die Ecke drängen – obwohl beide gute Absichten haben.



Aus der Perspektive der Emotionsfokussierten Therapie (EFT) kann Bernds Verhalten als ein Signal für tiefer liegende emotionale Bedürfnisse betrachtet werden. Vielleicht sucht er nach mehr Verbindung und Nähe, ausgedrückt durch den Wunsch nach einem „besseren“ Partner, der seine innere Definition von Sicherheit erfüllt. Statt die Kritik als schädlich zu sehen, könnte man sie als einen Ruf nach Liebe und Bestätigung verstehen.


Es ist wichtig, dass Bernd erkennt, dass seine Kritik eine Form der emotionalen Kommunikation ist. Durch die EFT kann er lernen, seine wahren Gefühle und Bedürfnisse zu erkennen und auszudrücken, statt sie in Kritik zu verpacken. Dies ermöglicht Tom, besser auf seine emotionalen Bedürfnisse einzugehen, was die Bindung stärkt.


Statt zu sagen, dass es ihn nervt, die ganze Wochenplanung alleine zu übernehmen, könnte Bernd ausdrücken: „Ich fühle mich manchmal alleingelassen und überfordert, wenn ich unsere Aktivitäten und "To dos" alleine plane. Mir ist es wichtig, dass wir als Team zusammenarbeiten, weil es mir Sicherheit gibt und zeigt, dass wir beide in unsere gemeinsame Zeit investieren wollen.“


Tom könnte in einem Gespräch mit Bernd seine tiefen Gefühle teilen und seinen Bindungswunsch ausdrücken, indem er sagt: „Ich habe manchmal Angst, Pläne zu machen, weil ich befürchte, es dir nicht recht machen zu können. Das vermeide ich lieber, um keine Enttäuschung zu sein. Aber ich verstehe, dass das dich belastet, und ich möchte wirklich, dass wir beide das Gefühl haben, unterstützt und verbunden zu sein. Lass uns gemeinsam überlegen, wie wir unsere Aktivitäten planen können, damit wir beide zufrieden sind.“


Manchmal reicht es schon aus, in eine tiefe Verbindung einzutauchen, um unterschiedliche Szenarien zu ermöglichen. Nachdem Bernd und Tom ihre wahren Gefühle und Bedürfnisse miteinander teilen, könnten verschiedene Entwicklungen folgen. Bernd könnte zum Beispiel erkennen, dass er eigentlich Freude daran findet, die Freizeitaktivitäten alleine zu planen, oder Tom könnte seine eigenen Ideen einbringen, die die gemeinsame Zeit bereichern. Wichtig ist, dass durch diesen offenen Austausch jeder das Gefühl bekommt, gesehen und geliebt zu werden. Diese Art von Dialog kann dazu führen, dass Konflikte sich auflösen oder in einem neuen Licht gesehen werden, was die Beziehung stärkt.


Wenn du merkst, dass du oft kritisierst, versuch mal darüber nachzudenken, was du dir eigentlich von deinem Partner wünschst. Vielleicht möchtest du dich einfach nur nah und verbunden fühlen? Dies zu verstehen kann euch beiden helfen, offener und liebevoller miteinander umzugehen.

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